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Ein Unrecht macht ein anderes nicht gut

Vor ungefähr 25 Jahren traf ich in Deutschland Verwandte von Ch. Darunter waren auch einige ältere Herren. Sie waren ursprünglich Rumäniendeutsche. Sie waren im zweiten Weltkrieg in der deutschen Armee und haben dort wer-weiss-was gemacht. Ich kann mich an den Dialog nicht mehr genau erinnern (sind ja doch ein paar Jahre her) oder wie wir auf das Thema kamen, aber sie haben ganz sicher nicht erwähnt, was genau sie da gemacht hatten.

Als wir auf das Thema kamen, sagten sie jedoch etwas in der Art von "Stalin war ja auch ein fürchterlicher Diktator und Massenmörder." Das ist natürlich auch wahr und damit kann man eigentlich nicht argumentieren.

Ich weiss noch, wie ich mich als junger Besser- oder Alleswisser gefühlt hatte. Heute wäre ich bei dieser Diskussion nachdenklicher gewesen, würde wohl nicht wissen, was ich sagen sollte. Damals fiel mir ein Satz ein, und ich sagte: "Ein Unrecht macht ein anderes Unrecht nicht gut." (Oder vielleicht war es: "Ein Unrecht gleicht ein anderes nicht aus." Da mögen semantische Unterschiede sein, aber für mich ist es im Moment nicht wichtig.) Die alten Herren schauten sehr betreten und waren sehr still.

Die Millionen Toten auf dem Gewissen von Stalin werden nicht besser dadurch, dass wir durch ihn Hitler losgeworden sind. (Auch wenn wir wirklich, wirklich dankbar dafür sein sollten, dass wir durch Stalin Hitler und seine mörderische Diktatur losgeworden sind.) Genausowenig kämpften deutsche Soldaten dafür, Russland von Stalins mörderischer Diktatur zu befreien, da braucht man sich keine Illusionen zu machen.

Was bedeutet das für uns heute? Das Unrecht, dass die amerikanische Regierung alle paar Jahre ein Land überfällt und endlose Kriege anzettelt, das macht das heutige Unrecht (dass Putin's Russland die Ukraine überfällt und dort einen brutalen Krieg führt) nicht gut. Das die russische Armee Zivilisten tötet, gleicht es nicht aus, dass die amerikanische Armee und ihre "privaten Kontraktoren" z.B. in Afghanistan und Iraq jahrelang Zivilisten töteten.

Ich kann kaum arbeiten, kann mich kaum konzentrieren, kann kaum schlafen, habe keinen Appetit, fühle mich grässlich. Ich trinke Tee und muss dabei nur daran denken, wieviele Menschen um ihr Überleben kämpfen statt Tee zu trinken. Jetzt gerade geschieht das hier-etwas-näher-bei-uns. Das gleiche Unrecht geschieht aber auch im nahen Osten, in Afrika, in Südostasien... und wer-weiss-ich noch wo. Doch auch dieses Unrecht gleicht das andere Unrecht nicht aus: Wenn ich gegen das eine Unrecht bin, bin ich geradeso auch gegen das andere Unrecht.